John und Iris spielten damals in derselben Band, Dor & Verso. Doch das war nicht das Einzige, was die beiden verband. Beide liebten den Samba – und beide litten an Depressionen. Trotzdem verstanden sie sich sehr gut. Wenn sie zusammen waren, war es oft witzig und kurzweilig.
Mit der Zeit entwickelte John Gefühle für Iris, was ihn vor eine große Herausforderung stellte. Schließlich waren sowohl John als auch Iris in langjährigen Beziehungen. John hatte zudem Kinder.
John öffnete sich Iris gegenüber und fühlte sich durch ihre Reaktionen bestärkt. In ihren Gesprächen sagte sie, dass sie den Begriff „Fremdgehen“ nicht wirklich anerkenne – schließlich sei es ihr Körper, über den nur sie selbst entscheide. Außerdem erzählte sie, dass sie bereits seit acht Jahren in einer Beziehung sei und sich gar nicht mehr sicher sei, warum.
Eines Abends, nach einem gemeinsamen Auftritt der Band, folgte sie John und fragte ihn, ob er noch etwas trinken wolle. Daraus entwickelte sich eine kurze Affäre. Während dieser Zeit suchte Iris immer wieder Johns Nähe und Aufmerksamkeit – machte ihm jedoch im nächsten Moment Vorwürfe.
Nach zwei Wochen beendete Iris die Beziehung. Sie schrieb:

Iris: OK, also das war richtig dumm gestern und sollte nicht wieder passieren. Ich fühle mich wahnsinnig egoistisch. Ich hoffe, diese Nachricht wird dich nicht runterziehen oder wütend machen.

John: Hallo Iris. OK! Und danke, dass du mir das sagst. Es zieht mich nicht runter.

John: Warum fühlst du dich egoistisch?

Iris: Egoistisch, weil ich nicht weiß, warum mir das gestern passiert ist. Ich glaube, unterbewusst habe ich es für mein Selbstwertgefühl getan. Was dumm ist, denn heute ist es richtig im Keller, weil ich mich einfach nur widerlich fühle.

John: Widerlich? Meinst du, du hast die Situation ausgenutzt?

Iris: Ja, ein bisschen. Nicht mit Absicht. Mein Kopf hat den ganzen Tag gearbeitet heute. Ich glaube, ich mag das Gefühl, begehrt zu werden – und schon allein das auszusprechen, fühlt sich eklig an. Mir passieren immer solche Sachen. Und natürlich ist es falsch, denn es ist dir, Mia und William gegenüber nicht fair.

John: Ich muss jetzt Abendessen gehen. Ich will dich aber nicht mit diesem schlechten Gefühl allein lassen. Ich komme gleich wieder.

Iris: Keine Sorge. Ich treffe mich jetzt mit Maria. Ich muss irgendwie den Kopf frei kriegen.
– Darstellung, Signal-Nachrichten zwischen Iris und John, 29.09.2019, ab 19:23 Uhr

Ab diesem Tag lief der Kontakt zwischen den beiden fast ausschließlich über den Signal-Messenger. Mit der Zeit wurde der Austausch seltener, bis er nach einigen Monaten ganz endete. Gesehen haben sich die beiden seither höchstens im Vorbeigehen.
Rückblick aus Johns Perspektive

Für John war die Beziehung zu Iris eine Herausforderung, weil er ihr Verhalten oft als wechselhaft erlebte. Dennoch war die Beziehung für ihn stets einvernehmlich. Iris stimmte den gemeinsamen Momenten zu – manchmal ergriff sie sogar selbst die Initiative. John hat sich stets vergewissert, dass jede Handlung mit Iris’ Einverständnis geschah.

Dieses Einverständnis zeigte Iris auf unterschiedliche Weise – zum Beispiel:
* als direkte Antwort auf eine Frage,
* indem sie zu einem verabredeten Ort und zur vereinbarten Zeit erschien,
* indem sie John umarmte oder küsste.

John hat bis heute Nachrichten von Iris, die belegen, dass die gemeinsamen Handlungen im gegenseitigen Einverständnis stattfanden. Er führte zudem sehr detaillierte Tagebuchaufzeichnungen zu dieser Zeit.

John ist sich bewusst, dass Iris etwa sechs bis neun Monate später ihre Darstellung der Ereignisse verändert hat. Er respektiert, dass Iris rückblickend bereuen darf, was passiert ist, und dass sie auch unbegründete Wut auf ihn empfinden darf. John ist auch nicht komplett frei von Schuld. Auch er hat gegenüber Frauen Fehler gemacht, die er heutzutage bereut. Aber Iris hat er stets mit Respekt und freundlich behandelt. Nichts was er gemacht hat, rechtfertig die Jahre der Ausgrenzung und Verleumdung, die ihm da noch bevorstehen.

Gleichzeitig hält John daran fest:

Ja bedeutet Ja! Iris hat mitgemacht – freiwillig und einvernehmlich. Wenn sie heute etwas anderes behauptet, entspricht das nicht den Tatsachen.

John hat zudem erkannt, welches große Geschenk ihm das Leben gemacht hat:

Seine Ehefrau Mia – diejenige, die durch die Affäre am meisten verletzt wurde – hat an seiner Seite ausgehalten. Sie ist ihm treu geblieben, trotz des Vertrauensbruchs, den er ihr gegenüber begangen hat, und auch in den schwierigen Zeiten, in denen Verleumdung und Ausgrenzung zum gemeinsamen Alltag wurden.