Das falsche Gericht

Die Falle

Im Juni 2020 waren Fritz und John gute Freunde. Fritz leitete die Band Dor & Verso, und John war ein sehr bekanntes und beliebtes Mitglied. An einem Sommertag bekam John eine Nachricht von Fritz:

Hallo John! Komm doch mal am nächsten Montag um 18 Uhr bei mir vorbei.
Viele Grüße, Fritz
– Darstellung, Fritz über Signal im Juni 2020

Für John war das eine ganz normale, freundschaftliche Einladung, wie sie unter Bandmitgliedern öfter vorkam. Doch diesmal war es anders – denn diesmal war auch Emma da.

Während Fritz sich eine Mahlzeit kochte, die er später alleine und ohne ein Angebot an die Gäste verspeiste, ergab sich ein kurzes, beiläufiges Gespräch zwischen Emma und John. Nach etwa 20 Minuten kam Liam dazu, und ungefähr eine Stunde nach Johns Ankunft stieß auch Noah noch zur Runde.

John ahnte nicht, dass er nicht zu einem freundschaftlichen Treffen, sondern zu einer Sitzung des Gremiums der Band Dor & Verso eingeladen worden war. Ohne Vorwarnung saß er plötzlich in einer Art Tribunal.

Nachdem Fritz sein Essen beendet hatte, setzte er sich zu den anderen und eröffnete das Gespräch: Iris, eine Mitspielerin der Band, erhebe schwere Vorwürfe gegen John. Welche konkreten Handlungen ihm vorgeworfen wurden, wie genau Iris sich verletzt fühlte oder was er ihr angeblich angetan haben soll – all das blieb unklar. Diese Fragen sollten auch in den folgenden Jahren unbeantwortet bleiben.

Die Vorwürfe waren dennoch so schwerwiegend, dass John sie sofort und unmissverständlich zurückwies. Hätte er damals die Gelegenheit gehabt, hätte er Beweise für seine Sicht der Dinge vorgelegt – doch natürlich war er auf ein solches Szenario nicht vorbereitet.

Wer ist Iris?

Fest steht, dass Iris seit Jahren mit schweren Depressionen kämpft und deshalb keiner regelmäßigen Arbeit mehr nachgehen kann. In der Vergangenheit geriet sie bereits mehrfach in Konflikt mit dem Gesetz – mindestens zwei Mal musste sie sich vor Gericht verantworten. Glücklicherweise begegneten die Richter ihr mit Nachsicht, und das jüngste Verfahren wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.

Iris war damals auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. In Johns Nähe fühlte sie sich wahrgenommen, und es tat ihr gut – insbesondere für ihr Selbstwertgefühl. Doch irgendwann wurde ihr diese Nähe zu viel und sie distanzierte sich. Diese Trennung war einvernehmlich – John kann das belegen, denn seine alten Nachrichten dokumentieren das klar. An jenem Sommertag hatte er diese Beweise natürlich nicht bei sich.

Die Monate danach

Neun Monate waren vergangen, seit John und Iris sich zuletzt gesehen hatten. In dieser Zeit verschlechterte sich Iris’ psychische Verfassung erneut. Es wurde sogar über einen erneuten Suizidversuch spekuliert. Sicher ist, dass sie wieder in einer psychiatrischen Klinik behandelt wurde.

Solche Kliniken können Menschen helfen, sich zu stabilisieren – doch irgendwann während oder nach dieser Zeit wandte sich Iris an Emma und berichtete ihr von angeblichen Übergriffen und Gewalt durch John. Diese Vorwürfe basierten auf Ereignissen, die nie stattgefunden hatten. In den folgenden Jahren erzählte sie noch weitere Geschichten, die sich ebenfalls als unzutreffend herausstellten – auf diese wird in einem späteren Beitrag noch gesondert eingegangen.

Das Ende des Treffens

Das Treffen an diesem Sommertag endete damit, dass John jede Schuld klar von sich wies. Gleichzeitig zeigte er sich aber bereit, eine Zeitlang nicht zu den Proben zu kommen, um Raum für eine einvernehmliche Klärung zu schaffen. Er machte jedoch sehr deutlich, dass er – sollte man die Anschuldigungen aufrechterhalten – erwarte, dass eine offizielle Strafanzeige gegen ihn gestellt werde. John war sich sicher, nichts Unrechtes getan zu haben, und glaubte damals noch fest an Gerechtigkeit und die Unabhängigkeit der Justiz.

Rückblick aus heutiger Sicht

Heute – Jahre später – bereut John diese Entscheidung. Sein Fernbleiben von den Proben wurde von vielen als Schuldeingeständnis gewertet. Erst im Nachhinein wurde ihm klar, dass er damals in einen Hinterhalt geraten war.

In einem Rechtsstaat hat jede angeklagte Person das Recht, die genauen Vorwürfe und die Beweise gegen sich vorab zu erfahren. Jede Person hat das Recht, sich mit Unterstützung eines Rechtsbeistands zu verteidigen. Doch Fritz – einer von Johns engsten Freunden – hatte ihm eine Falle gestellt. John, da ist er sich sicher, hätte Fritz nicht so verraten. Und John würde in den nächsten Jahren zu einer scharfen Erkenntnis kommen: In der Band Dor & Verso gelten nicht die Grundrechte und nicht die Regeln eines fairen Verfahrens: Diese Band machte ihre eigenen Regeln.